Literatur

Aus meinem Büchlein „Am Nacktbadestrand“

Der Schauplatz ist in Europa oder irgendwo, denn Europa ist überall, wo sich Europäer wie US-Amerikaner oder schlimmer als zu Hause benehmen. Der Sandstrand ist übersät mit Cola-Büchsen, die See geht ziemlich hoch, aber das Getöse der Wogen wird übertönt vom Geschrei badender Kinder. „Mutti, Mutti, hier sind Quallen – hu!“ Mutti rennt, fasst ihre beiden Rotznasen an den Händen und schleppt sie durchs Wasser ans Ufer wie zwei abgetakelte Fischerbötchen.

„Ich habs euch ja gesagt, ihr sollt nicht so weit hinausgehen“, schimpft die Mutter. Das kleinere Fischerboot hat sich inzwischen an ihrer Badetasche zu schaffen gemacht und steckt sich den gefundenen Kaugummi in den Mund.

„Willst du gleich?“ schreit die Mutter und schlägt das Kind auf die Hände.

„Ich will auch einen“, heult der grössere und bekommt ihn.

„Geht jetzt spielen“, befiehlt die Mutter, zieht eine Illustrierte hervor und setzt sich wieder in den Strandkorb. Die beiden Fischerbötchen stehen unschlüssig herum, schlendern den Strand entlang, entdecken eine Frau, die auf einem Badetuch liegt und ihre Brüste an der Sonne ausbrütet

….. 

Geschlechts, „nee, die hat zu spitze Lungen!“

„Soll ich ihr?“ fragt das erste Fischerboot, nachdem es bereits ein Steinchen in Richtung der Frau geworfen hat. Sie reagiert nicht. Das andere Fischerboot wirft auch, dann wieder das erste. Ein Mann kommt heran, er ist nur mit einem Hodenschoner bekleidet. „Benehmt euch anständig“, sagt er und geht weiter. 

… 

„Soll ich ihr“, fragt das grössere Fischerboot noch einmal. Das kleinere nickt stumm und seine Augen leuchten „ja“. Das grössere fasst seinen Penis, zieht ihn andächtig in die Länge, stellt ihn hoch und pinkelt der Frau auf die Brust. 

….

Folgt der unvermeidliche Streit der Jungen mit ihrer Mutter 

….. 

Ein kleines Mädchen kommt zur Ich-Erzählerin. Zwischen beiden entspinnt sich ein Gespräch, nachher mit dem Vater des Mädchens, der es holen will. Das Gespräch ist ziemlich philosophisch und erstreckt sich bis fast zum Schluss des Buchs: 

„Dann baden Sie also deshalb nicht nackt?“

„O nein, ich denke an die Warnung des greisen Adornol Er hat einmal kurz vor seinem Tod gewarnt, die sexuelle Liberalisierung überzubewerten, bei de es sich möglicherweise um nichts anderes als eine blosse Uebung handeln könne, die jederzeit wieder abgepfiffen werden könne“.

„Sie lesen Adorno?“

„Ich habe ihn gelessen.“

„Sagen Sie, liest man Adorno in der Schweiz?“

„Ich weiss es nicht…. 

… 

„Da haben Sie auch wieder recht, aber sagen Sie, sind Sie immer so scheu?“

„Bin ich scheu?“

„Ich weiss nicht, ich meine- äh, ich meine nur, weil Sie nicht nackt baden“…

  

„ich verstehe, dass ein Anfänger Hemmungen hat, ich habe viel Erfahrung mit Nacktbaden, ich bade mit meiner ganzen Familie nackt.“

„Wissen Sie, ich habe auch eine Abneigung gegen Massenbewegungen….“  

¨Ich finde, dass man Meer und Berge nicht gegeneinander ausspielen soll. Beides hat auf seine Weise einen eigenen und je besonderen Reiz.“

„Ich habe Mühe mit den Schweizer Bergen – das heisst, oben natürlich nicht, aber unten, die Täler, sie machen mich depressiv, immer das selbe, man könnte stundenlang fahren.“

„Hinter der Windschutzscheibe einer Blechbüchse ist alles gleich. Und unser nivellierender Verstand, der von allem Individuellen und Eigenständigen abstrahiert, um derart entblössten nackten und erniedrigten Phänomene dann doch in ein hierarchisches Ober- und Unterbegriffssystem zu zwängen.“…..

 

 

Das Büchlein ist 2007 in Zürich erschienen und bei der Verfasserin erhältlich. Es kostet Fr. 25.- exkl. Versand   (wurde schon früher geschrieben)

 



© Hedwig Schweizer
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